Im zweiten Teil meiner kulinarischen Erlebnisse in Vietnam möchte ich Euch nun beschreiben, was dort konkret auf den Tisch kommt. Den wunderbaren Mix aus vier verschiedenen Küchen (China, Indien, Portugal und Frankreich) hatte ich ja schon erwähnt. Eine besondere Überraschung war für mich die Tatsache, dass die Vietnamesen auch Rindfleisch aus Argentinien importieren! Im Gegensatz zu vielen deutschen Küchen, findet man mit Sehnen durchsetztes und ‚verzerbeltes‘ Rindfleisch in Vietnam nicht einmal in der Suppe! Wenn hier im Land Rinderhüftsteak, Gulasch und ‚Rinderfilet’oft unkaubar sind, so gehen diese Produkte im Schlaraffenland runter wie Öl – genial!
Vietnam ist das Land der Suppen (Phó). Suppen mit Reisband- oder Glasnudeln gibt es in allen Variationen. Ob mit Rind- oder Hühnerfleisch, ob mit Garnelen, frischem Gemüse, Tofustreifen, Erdnüssen, Kokosmilch, Koriander, Basilikum, Mangostreifen etc. – vietnamesische Suppen sind der Knaller und es gibt sie bereits zum Frühstück! In Ho Chi Minh-City (Saigon) sollte man durchaus den von Bill Clinton im Jahr 2000 besuchten Suppentempel ‚Phó 2000‘ besuchen. Der unscheinbare zweigeschossige Laden mit dem Charme einer Landwirtschafts-Betriebskantine ist so etwas wie ein ‚Suppen-Schrein‘-fantastisch!
Statt Sojasoße gibt es bei den Vietnamesen die als ‚essbares Parfüm‘ beschriebene Fischsoße ‚Nuoc Mam‘. Es ist ein dunkles, sonderbares und relativ übelriechendes Wässerchen aus fermentiertem Fisch. Aber auf eine Speise getröpfelt oder gedippt, entfaltet die Soße zusammen mit der Speise (Frühlingsrolle o.ä.) einen wunderbar abgerundeten Geschmack. (Asia-Restaurants in Europa rücken diese Spezialität oft erst nach Nachfrage heraus.) Zu jedem vietnamesischen Essen gehören Kräuter wie Minze, Koriander, Dill, Fenchel und Basilikum. Kombiniert mit indischen oder portugisischen Gewürzen entwickelten die Vietnamesen eigene Currys.
Aus der Zeit der französischen Besatzer stammen Gerichte aus tierischen ‚Abfällen‘. Während die Kolonialherren nur die besten Sachen verspeisten, sollten sich die Vietnamesen z.B. mit geschmorten Hühnerfüßen begnügen. Mit Einfallsreichtum kultivierten sie diese ‚minderwertigen‘ Produkte zu heute geschätzten kulinarischen Delikatessen. Auch deshalb findet man auf vietnamesischen Märkten auch die seltsamsten Innereien und ‚Schlachtabfälle‘. Das muss man als Europäer nicht essen, auch wenn es durchaus gesund und bekömmlich ist. Von den Franzosen übernahmen die Vietamesen Weißbrot und Kaffee, der in Vietnam eine besondere Geschichte hat.
Mittags und Abends dominiert Reis mit verschieden Gemüsen, Fisch und Fleisch. Als Vorspeise präsentieren sich mit Fleisch und/oder Gemüse gefüllte Frühlingsrollen, die man in manchen Landesteilen auch selber (in Reispapier) wickeln (und dann z.B. in Nuoc Mam-Soße dippen) kann. Als Nachspeisen empfehlen sich tropische Früchte, Puddings (Bananenpudding mit Kokosmilch, leichtes Gebäck und Klebreiskuchen – lecker!
Als Europäer trinkt man nach dem Essen gerne einen Kaffee, dessen Anbau und Produktion in Vietnam eine kuriosen Hintergrund hat. Obwohl von französischen Missionaren schon vor hundert Jahren kultiviert, animierte erst die einstige DDR die Vietnamesen zum industriellen Kaffeeanbau. Als Gegenleistung für Industriegüter forderten und förderten die DDR-Wirtschaftsbosse beim sozialistischen Bruder den Anbau von ‚Mangel-Naturalien‘ wie Kaffee. Doch bis die Vietnamesen beim Kaffeeanbau genießbare Bohnen produzierten, war die DDR bereits versunken. Anfangs belächelt, ist der vietnamesische Kaffee heute von sehr guter Qualität und ein Exportprodukt. Mir hat er ausgezeichnet geschmeckt!
Beim Thema Getränke kann ich mich kurz fassen. Zu Erfrischung gibt es an jeder Ecke frische und gekühlte Kokosnüsse (Kokoswasser). Wie bei uns sind überall die ‚globalen Weltgetränke‘ wie Wasser, Bier, Wein und Schnaps zu haben. Neben internationalen Bieren wie Tiger, Heineken und Saigon, gibt es auch das aus Reis gebraute einheimische Bier ‚333‘. Alle Biere schmecken super und lassen keine Wünsche offen. Neben dem traditionellen Reisschnaps wird in den vietnamesischen Kneipen und Restaurants auch viel Wodka getrunken. Freitagabend ist bei vielen Vietnamesen der gesellige Kneipentag – so wie es früher auch mal in Deutschland war. Man trifft sich, isst ausgiebig und lässt dann flaschenweise Wodka kommen! Das hat mich beeindruckt, denn gerade diese (zwanglose) Geselligkeit und Eckkneipenkultur ist bei uns weitgehend ausgestorben.
Noch ist Vietnam ein relativ ‚geheimer‘ Reisetipp. Doch es wird nicht mehr lange dauern, da ist der Reiz und das Flair des Ursprünglichen verschwunden. Dem Druck von Hedgefonds, stereotyper Weltarchitektur, globaler Handelsketten und westlicher Verhaltensweisen wird dieses kleine Land nicht mehr lange widerstehen können. Fahrt hin, solange es schön ist!
Bon appetit!
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